Er, er und ich

Literatur und Filme

Seit einiger Zeit arbeite ich an einem Buch zu diesem Thema. Hier könnt ihr das Exposé lesen.

Ein Baby nebenbei

Wie alles begann, ist schwer zu sagen. Auch wann. Wer weiß schon, wann genau ein Traum begann? Man weiß oft, wann der Traum endet, weil er entweder geplatzt oder wahr geworden ist. Unser Weg bis zur Wahrwerdung war lange und beschwerlich. Dabei sollte die Familiengründung eigentlich eine glückliche Zukunftsperspektive darstellen, verbunden mit vielen positiven Erinnerungen. Die meisten Paare planen die Gründung einer Familie. Und auch wenn es dann etwas länger dauert oder mehrere Versuche unternommen werden, als Paar entscheidet man sich dafür und kann daran arbeiten. Und wenn es nicht klappen sollte, dann steht den Paaren immer noch die Möglichkeit der Adoption offen.

Dies gilt nicht für uns. Wenn gleichgeschlechtliche Paare, so wie wir, uns ein Kind wünschen, dann gibt es keine romantischen Nächte mit Kerzenlicht und Musik. Dann gibt es lange Diskussionen, Recherchen und die Bewältigung von Papierkram. Denn schwulen Paaren in Deutschland ist es nicht erlaubt, Kinder zu adoptieren. Was bleibt ihnen, uns, dann übrig? Einige Paare haben versucht, im Rahmen einer Ausnahmeregelung eine Adoption zu verwirklichen, um dann am Ende leer auszugehen. Und nicht selten mit fatalen Folgen für die Beziehung. Wenn gemeinsame Träume zerplatzen, zerbrechen oft die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Wer sich etwas in diesem Gebiet auskennt, der weiß, dass Leihmutterschaft und Eispende in Deutschland verboten sind. Ein Baby nebenbei wird für gleichgeschlechtliche Paare nie Wirklichkeit. Wer sich zuvor nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, wird sich kaum die Schwierigkeit und die tendenzielle Aussichtlosigkeit dieses Unterfangens vorstellen können. Wenn Adoption und Leihmutterschaft nicht möglich sind, geben viele Paare bereits auf und versuchen, ihre Träume in anderen Dingen zu verwirklichen.

Wir wollen allen Paare, ob homo- oder heterosexuell, die sich trotz den vielen Umständen, der Gegenwehr und den vielen Vorurteilen nicht abbringen lassen, Mut machen, um sich für eine Familienplanung einzusetzen. Auch wenn die Rechtsprechung in Deutschland kaum Lücken zulässt, soll dieses Buch alle jenen helfen, die sich eine Familie wünschen, sich mit den Möglichkeiten der Familiengründung im 21. Jahrhundert vertraut zu machen. Denn es ist möglich, eine Familie zu gründen – auch als Homo-Paar. Es gibt verschiedene sichere und rechtlich legale Wege, um dies zu erreichen, sei es nun über eine Leihmutterschaft in einem sicheren Land oder auf einem anderen Weg. Aber wir wollen auch aufzeigen, wie schwierig es ist, in einer Gesellschaft zu leben, die Rollenvorbilder vorgibt, aber nicht hinter deren Absenz steht.

Weiter wollen wir gleich zu Beginn vorwegnehmen, dass wir natürlich von der biologischen Notwendigkeit ausgehen. Es braucht eine weibliche Eizelle und einen männlichen Samen. Aber – Familien und Kinder entstehen nicht nur dort, wo Mann und Frau zueinander finden. Sondern auch dort, wo gleichgeschlechtliche oder andere geschlechtliche Konstellationen von Paaren diesen Wunsch haben und aus Liebe sich für ein Kind entscheiden. Ein anderer Standpunkt, den wir vertreten, ist die kontrollierte Leihmutterschaft, die unter Auflagen ermöglicht werden sollte. Dies vor allem, damit die Leihmutterschaft nicht aus einer finanziellen Notsituation heraus entsteht. Denn die Thematik der Leihmutterschaft in Deutschland stößt weitgehend auf Ablehnung. Aber wohl noch mehr aufgrund von Unwissenheit. Dies ist aber niemandem zu verdenken, da durch das kategorische Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland jegliche Erfahrungen fehlen. Das Einzige, was an die Öffentlichkeit gelangt und Verbreitung findet, sind Schlagzeilen, und diese sind häufig negativ. Deswegen besteht bis heute kein klares und aufgeklärtes Bild der Leihmutterschaft. Ganz anders ist dies in Kalifornien, wo die Leihmutterschaft und die Eispende schon eine Weile praktiziert werden. Deutschland könnte davon viel lernen, und Kalifornien könnte einige Vorlagen liefern für eine begrenzte und kontrollierte Zulassung der Leihmutterschaft.

Kalifornien – das Land der Sonne und Kinder aller Paare

Ich selber hatte das große Glück, aufgrund des Studiums und später infolge meiner Arbeit in Kalifornien zu leben. Kalifornien ist nicht nur ein Ort, wo die Sonne bekanntlich immer scheint. Kalifornien ist auch ein Staat der vielen Möglichkeiten. Zwei von diesen Möglichkeiten sind die Leihmutterschaft und die Eispende. Außerdem war gerade zu Beginn der 1990er Jahre die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare in Kalifornien möglich worden. Durch Zufall lernte ich eine der ersten so entstandenen Familien kennen. Natürlich war für mich eine Familiengründung noch in weiter Ferne. Aber der Gedanke daran, dass es hier möglich war und auch gelebt wurde, ließ in mir einen Hoffnungsschimmer keimen, der erst viel später zum Vorschein kam. Anders als gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland hatte ich nun also die Möglichkeit, Vorbilder von gleichgeschlechtlichen Familien kennenzulernen. Dabei konnte ich mich intensiv mit dem Verfahren, aber auch mit den Risiken der Leihmutterschaft und Eispende als mögliche Option für meine spätere Familiengründung auseinandersetzen.

Kalifornien war in vielerlei Hinsicht ein Staat der unbegrenzten Möglichkeiten. Dieser Bundesstaat, der schon lange von der Immigration kluger Köpfe – besonders auch von Deutschen in und nach den Kriegsjahren – profitierte, ist nicht zufällig im Bereich Leihmutterschaft und Reproduktionsmedizin führend. Vielen Ärzten, die in diesem Bereich praktizieren, ist es in ihrem eigenen Land nicht erlaubt, in ihrem Fachgebiet tätig zu werden, was zum Vorteil hatte, dass sie in die USA kommen, um dort ihr Können und Wissen einzusetzen und zu verfeinern. Das trifft im Übrigen für viele Bereichen des öffentlichen Lebens in den USA zu. Dadurch profitieren die USA, wie in vielen anderen Bereichen, auch hier von der Immigration durch das Freiheitsgefälle in vielerlei Hinsicht.
 Es ist mir bewusst, dass ich, bedingt durch diese Möglichkeit, eine Ausnahme bilde. Gerade deswegen möchte ich meine Geschichte, Erfahrungen und Gedanken teilen. Denn es ist eine der größten Hürden für Schwule und Lesben mit Kinderwunsch, dass relevante Rollenvorbilder nicht existieren. Heute kommen viele Menschen aus der ganzen Welt zu uns, um unsere Geschichte zu hören und an unserer Erfahrung teilzuhaben. Unseren Weg, die Möglichkeiten, aber auch die vielen Hürden wollen wir mit allen teilen.

Familiengründung auf Rechnung oder Ego gegen Mainstream oder doch besser schweigen

Das Deutschland meiner Kindheit in den 1980er Jahren war eine geradezu paradiesische Dekade für die westdeutsche Mittelschicht. Allerdings musste man sich dieser anpassen und nach deren Regeln und Normen leben. Wie sahen die Normen aus? Mitglieder dieser Mittelschicht hatten studiert, waren weiß, stammten von deutschen Eltern ab und hatten die Neigung zum anderen Geschlecht. Pech also für all diejenigen, die aus dieser Norm fielen, weil sie Ausländer oder Schwule waren. Diese gesellschaftlichen Randgruppen waren in der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft nicht vorgesehen. Dafür gab es keinen Platz, dafür setzte sich keiner ein, und es lohnte sich nicht einmal, einen Gedanken an sie zu verschwenden.
Bis heute noch erleben diese Randgruppen in Deutschland dieses Phänomen, dass der Diversitätsgedanke und allgemein das Benennen, das Anerkennen und die ausdrückliche Akzeptanz von Anderssein in der westdeutschen Gesellschaft kommunikativ nicht vorgesehen sind. Diese sture Heteronormativität ist in allen Bereichen des Lebens erfahrbar und wird einem schon als Kind eingetrichtert. Die Lehrpersonen sind wenig sensibilisiert für Persönlichkeitsunterschiede bei Schülern und die daraus erwachsenen Bedürfnisse. Das Schulangebot lässt wenig bis keine Wahlmöglichkeiten. Der normative Einfluss der Gesellschaft bewirkt, dass Individuen sich so verhalten, dass sie nicht durch Abweichungen von der Gruppennorm unangenehm auffallen.
Es ist dann nicht gerade einfach, sich individuell im Kontext dieses Konformismus zu entwickeln, da der Druck der Gesellschaft, der Familie und der Meinungen dazu führt, sich stark an diese Normen zu binden. Da prallt Individualismus auf Konformismus, Ego auf Mainstream. Aber insbesondere fehlt es an Rollenvorbildern für Individualität. Wie soll sich ein selbständiges Individuum in einem derartigen Umfeld entwickeln können? Frei denken und fühlen können? Und dann auch noch, wenn man plötzlich spürt, dass man sich zum anderen Geschlecht hingezogen fühlt? Und dies ohne Vorbild? Vorbilder sind wichtig in der Entwicklung, in jeder Entwicklung, sei dies nun für Kinder oder Erwachsene, ganz gleich, ob hetero- oder homosexuell.

Fehlende Rollenvorbilder oder die Tragik des Schweigens

Der Mangel an fehlenden, positiven, schwulen Rollenvorbildern macht die Entwicklung in einer stark von Heteronormativität dominierten Gesellschaft alles andere als einfach. Und wer wagt es, sich dann noch als Homosexueller über Familie oder eigene Kinder zu äußern? Aber warum eigentlich nicht? Warum sollte eine Gesellschaft, die selbst Familie so hoch preist und Kinder liebt, gleichgeschlechtlichen Paaren Kinder verwehren? Was ist so sonderbar oder gar unverständlich, dass bis heute dieses Thema tabu ist?
In einer kürzlich erschienenen Radiosendung wurde das Fehlen von weichen Männervorbildern beklagt. Dabei ging es vor allem um das Vorbild und um die Rolle des Mannes. Der Feminismus hat für eine Verschiebung der Rollenbilder, vielleicht auch für eine neue Definition gesorgt, sowohl für den Mann als auch für die Frau. Es kommt der Wunsch nach mehr weichen Männervorbildern. Genauso verhält es sich mit den Rollenvorbildern für gleichgeschlechtliche Familienkonstellationen. Allerdings war dem nie eine Bewegung wie der Feminismus oder eine andere soziale Form vorausgegangen. Homosexualität tritt, wie der Feminismus oder andere Strömungen, für ein Umdenken ein, für eine Änderung der Normen bzw. eine „weichere“ Form von Normen, die auch gleichgeschlechtlichen Paaren Familie und Kinder ermöglicht. Im Gegensatz zum Feminismus, der zu einem Aufruf zu Vorbildern geführt hat, fehlen der Homosexualität bis heute positiv konnotierte Rollenvorbilder. Seien dies nun Vorbilder als schwule Paare oder gar Homosexuelle mit Kindern. Hätte ich damals nicht die Möglichkeit gehabt, in die USA zu reisen und dort die Vielzahl an Möglichkeiten zu sehen, wäre ich wohl, wie viele tausende andere Paare auch, nicht auf die Idee gekommen, Kinder haben zu wollen.

Wie tragisch ist das denn, dass dadurch Paare ihre Träume von Familie und Kindern, wie jedes andere Paar auch, nicht einmal wagen zu überdenken. Wie viel Leben damit nicht entstehen und wie viel Eltern- und Kindsglück nicht in Deutschland zustande kommen kann. Gerade gleichgeschlechtliche Paare, denen ein Kind nicht einfach in den Schoss fällt, werden über tausende von Umwegen und Hürden gezwungen, die Familiengründung von ihrem Plan zu streichen. Was meist auch zur Folge hat, dass viele Paare in ihrer Beziehung scheitern und ihren Traum und ihre Individualität aufgeben. Das tut weh, und genau das ist die Stimmung in Deutschland. Eine solche Stimmung wünscht sich eigentlich keiner, aber keiner weiß genau, was das Problem ist. Und genau das ist das Problem. Kurios ist nur, dass genau dieses Phänomen von vielen wiederum komplett gegensätzlich wahrgenommen wird. Nämlich von denen, die glauben, anderen die Elternrolle absprechen zu müssen.

Schwule haben keine Träume

Deutschland hinkt trotz so vielen Bewegungen auch heute noch den USA, Spanien, Frankreich, England und vielen anderen Ländern hinterher, denkt man nur an die Möglichkeit der Ehe für Homosexuelle. Das „Newsweek Magazine“ verwies bereits 1992 mit dem Titel „Gays under Fire“ darauf, dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung zwar kontrovers, dafür aber öffentlich geführt wurde. Man sprach darüber, man diskutierte. Natürlich gab es Argumente dafür und dagegen. Aber schließlich führte dies dazu, dass 1992 die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung sich für eine Gesundheitsversicherung, Erbschaftsmöglichkeiten und Sozialversicherung für schwule Partner aussprach. Zwar wurde die Ehe und Adoption in diesem Jahr noch nicht angenommen, aber man sprach darüber. Dies führte schließlich dazu, dass einige Jahre später auf nationaler Ebene die Ehe und die Adoption umgesetzt wurden – auch wenn die Legislativen auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene noch einige Zeit lang einander bekämpften. Aber es wurde darüber gesprochen, verhandelt, diskutiert und dies öffentlich und überall. Und damit nicht genug. Heute diskutiert die amerikanische Öffentlichkeit über Toiletten für Transgender-Menschen. Und ist Ihnen schon aufgefallen, wie viele verschiedene Geschlechtsarten es auf Facebook gibt? Die Vereinigten Staaten sprechen öffentlich über Themen, die in Deutschland noch nicht mal am Familientisch diskutiert werden. Dank der deutlichen, tabulosen Diskussionsfreundlichkeit in den USA gibt es dort für Homosexuelle heute einiges mehr an Möglichkeiten. Und was macht Deutschland mit diesen Themen? Schweigen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Sabine Bode beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit den Auswirkungen des desaströsen Krieges des 20. Jahrhunderts auf die deutsche kollektive Wahrnehmung, die Auseinandersetzung mit Neuerungen und die Offenheit für die Zukunft und für Veränderungen. Obwohl Deutschland die 1968er Bewegung als Gegenbewegung zur Verkrustung des Dritten Reiches stark und deutlich erlebt hat, blieb sie doch in vielerlei Hinsicht eine Randbewegung, die den Rest der Bevölkerung in vielen Aspekten nicht zu erreichen vermochte. Stillschweigen, nicht ansprechen, besser wegsehen oder erst gar nicht hinhören. Das sind die Folgen. Themen werden einfach unter den Tisch gefegt, oder es wird geschwiegen. Eigentlich ist es am besten, gleich ganz zu schweigen. Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die Medien. In den USA wird schon ganz anders kommuniziert, viel mehr Medien sind präsent, unzählige Formen von Mediankanälen existieren. Die Medien in Deutschland dagegen, vor allem die Staatsmedien, wählen meist nur aus, was auch sozial erwünscht und mehrheitsfähig ist. Da hat das Thema „Homosexuelle“ keinen oder kaum Platz. Und wenn, dann prangert irgendeine negative Schlagzeile auf der Frontseite und verschiebt das Bild der Schwulen und Lesben, womit wir wieder bei den fehlenden Rollenvorbildern sind.

Aber was hat mich eigentlich dazu gebracht, dieses Thema anzusprechen, nicht loszulassen und nicht aufzugeben? Im grünen Süden von Essen, wo ich aufgewachsen bin, gab es zahllose Familien mit teilweise bis zu sechs Kindern. Und es war eigentlich immer der Standard, aus einer großen Familie zu kommen. Wir spielten immer in den Straßen miteinander, irgendwelche Kinder von irgendwelchen Familien waren immer draußen oder kamen zum Spielen. Kinder waren eigentlich immer überall. Für mich war es immer klar, bewusst sicherlich seit ich 12 war, dass ich auch eine Familie haben wollte. Das hat sich auch damals nicht geändert, als ich in der ersten Klasse des Gymnasiums A. kennenlernte. Es war mir gleich klar, dass alles anders war. Vorbei war die Zeit des kindlichen Spielens und der Kameradschaften aus der Grundschule, der Pausenbrote und der Freunde der Nachbarschaft, mit denen ich fast ausnahmslos aufgewachsen war. Das Gymnasium eröffnete eine neue Welt. Plötzlich neue Gesichter, eine neue Klasse mit neuen Namen und Eigenschaften, die mir fast exotisch vorkamen. Aber auch ich selber wurde erwachsener, selbstständiger und veränderte mich. A. war in derselben Klasse. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. A. stammte selber aus einer großen katholischen Familie mit fünf Kindern. Die Familie von A. war für mich eine Vorzeigefamilie. Das Zusammenspiel des Ehepaares und ihre enge Verbindung zu ihren Kindern waren mir sofort vertraut. Ich war vom ersten Moment an verliebt. Wohl auch verliebt in die Form und das Dasein der Familie.

Selbst als das Anderssein zum Thema wurde, ließ die Vorstellung, selber Kinder und eine eigene Familie zu haben, nicht nach. Für mich war das Thema Familie immer schon wichtig und ist nicht durch ein Schlüsselerlebnis als schwuler Mann ausgelöst worden. Es gab für mich keine schicksalhaften Begegnungen mit einem anderen gleichgeschlechtlichen Paar mit Kindern oder einem anderen Zufall, der mir die abstruse Möglichkeit, selbst Kinder zu haben, vor Augen geführt hätte. Für mich, als damals jungen Mann, aber auch als schwuler Mann, war es einfach klar, dass eine Familie zu meinem Leben gehörte. Wahrscheinlich war es auch mein Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin und dass mich so geprägt hat und die Menschen um mich herum, die mir wichtig waren, mich angesprochen haben, mit denen ich vertraut war und die für mich das natürliche Strickmuster des Lebens darstellten. Das war ausnahmslos der Familienkontext mit Kindern.
 Zwar waren diese Vorstellung und dieser Wunsch häufig eher hinderlich für die schwule Selbstfindung, denn wer traute sich schon, an Familie und Kinder zu denken, wenn das Schwulsein an sich schon schwierig war. Immer und immer wieder erlebte ich, wie schwierig es war, den Wunsch nach eigenen Kindern mit der Selbstdefinition öffentlich zu machen. Wie oft habe ich nicht eine verstärkte Abgrenzung und Entfremdung gespürt und miterlebt und mir mehr als nur einmal dadurch eine blutige Nase, in Form einer Abfuhr oder Missbilligung, geholt. Das tat weh, und ich kann jeden Homosexuellen verstehen, der seine Träume stillschweigend für sich behält und auf diese sogar am Ende verzichtet, denn die Gesellschaft ist noch nicht so offen und noch nicht soweit, um darüber zu reden, geschweige denn zu akzeptieren.

Dieses Schweigen, die Trauer und Aussichtlosigkeit, aber auch das Fehlen der positiven homosexuellen Rollenvorbilder erklären meine Bereitschaft, mit meiner Story an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn ich habe nicht aufgegeben und an meinem Traum und Wunsch nach einer eigenen Familie festgehalten, gegen alle Missbilligungen und Diskussionen. Und ich möchte allen, die weiterhin träumen und sich eine Familie wünschen, Mut machen. Mir hat damals, im August 1998, als ich auf einer Stippvisite bei meinen Eltern in Deutschland war, ein Mann namens Andreas Mut gemacht. Er war der erste, der damals zuhörte und nicht abgeneigt war, als ich mit dem Thema Familie begann. Andreas wurde mein späterer Ehemann und Vater.

Doch – Schwule haben auch Träume

Und dies ist keine Ausnahme. Ob schwul, lesbisch oder nicht, jeder Mensch hat Träume und Wünsche und einer davon ist meist, seine eigene Familie zu gründen. Nur ist dies als schwuler Mann nicht ganz so einfach. Für mich ebenso wenig. Im spießigen Essen, zwischen den Villen der Albrechts anders zu sein als normal war, war eigentlich nicht möglich. Warum auch? Es gab eine Norm, die wurde eingehalten. Anderssein war nicht vorgesehen und auch nicht akzeptiert. Es lag wohl weniger am Ort als an der Zeit. Es war, und ist es heute teilweise immer noch, ein Tabu, schwul zu sein, anders zu sein. Let alone Kinder als schwules Paar zu haben.

Aber von Anfang an. Meine Familienleben habe ich als einigermaßen harmonisch in Erinnerung, wenngleich es das nicht war. Welches Familienleben ist das schon? Immer treffen verschiedene Charaktere und Interessen aufeinander, die unweigerlich zu Konflikten und Komplikationen führen, und sei es nur ein Baby, das Milch trinken möchte, während die Mutter schlafen will. Dennoch hat mich unser Familienleben dahingehend geprägt, dass ich mir genauso mein eigenes Leben vorstellen konnte, und ich sah und sehe bis heute keinen Grund, davon abzurücken.